‚Der Kerl nimmt einem ja die janze Lebensfreude‘ – Zilles Milieustudien auf Papier
In der tugend-verliebten Zeit des Wilhelminismus führte Heinrich Zille seinem Publikum bittere Armut und skandalöse Nacktheit vor Augen.
Nicht immer zur Freude seiner fortschrittseligen und ordnungsliebenden Zeitgenossen porträtierte Heinrich Rudolf Zille in seinen spöttisch-kritischen Zeichnungen das Berliner ‚Milljöh’, d.h. das Proletariat und Hinterhofleben der Stadt. Ein Offizier kommentierte eine Zille-Ausstellung ehrlich entrüstet mit den Worten: „Der Kerl nimmt einem ja die janze Lebensfreude!“
Aufgrund seiner sozialkritischen Ambitionen verlor Zille im Jahr 1907 schließlich seine Anstellung bei der Photographischen Gesellschaft, da fackelte man damals also nicht lange. Im Jahr 1925 ließ man ihn anlässlich der Veröffentlichung seiner Lithografie ‚Modellpause’ im Simplicissimus, die acht unbekleidete Mädchen zeigt, sogar 150 Reichsmark löhnen und um das Übel gleich mit der Wurzel herauszureißen, zwang man den allzu freizügigen Sozialkritiker gleich noch zur Vernichtung sämtlicher Druckplatten. Aber selbst davon ließ Zille sich nicht aufhalten und porträtierte fleißig weiter, was seine Zeitgenossen mitunter so gar nicht sehen wollten …