Theodor Fontane – Frau Jenny Treibel (1888)
In Theodor Fontanes Roman aus dem Jahr 1888 geht es um große Gefühle am Halensee.
Ein ausgiebiger Spaziergang in stimmungsvoller Umgebung hat schon so manche Gefühligkeit zu Tage gefördert. Zu Zeiten Fontanes reiste man für solche seelischen Höhenflüge z.B. gerne an den Halensee.
In ‚Frau Jenny Treibel‘ schildert Fontane auf amüsante Weise den Gegensatz von Bildungsbürgertum und Bourgeoisie, welche sich in Form zweier junger Menschen am Halensee zu vereinigen beabsichtigen. Die Kommerzienrätin Frau Jenny Treibel wohnt in einer herrschaftlichen Gründerzeitvilla in der Köpenicker Straße mit Blick auf die Spree. Die aufgestiegene Krämerstochter verkörpert für Fontane den „Typus einer Bourgeoise“: ein berechnend-sentimentales Frauenzimmer, ‚das von Schiller spricht und Gerson [Besitzer eines Berliner Modesalons] meint‘, unter dem Strich also zuvörderst auf ihr soziales Ansehen und wirtschaftliches Wohlergeben bedacht ist.
Ganz anders da der Hausfreund der Treibels und ehemalige Verehrer Jennys, der Gymnasialprofessor Willibald Schmid, der zusammen mit seiner selbstbewussten Tochter Corinna das Bildungsbürgertum vertritt. Im Treppenhaus seiner Mietwohung riecht es zwar nach „kleiner Wäsche“, dafür werden im Hause Schmid neben Bildung auch Menschlichkeit und Aufrichtigkeit groß geschrieben.
Im 10. Kapitel macht das ungleiche Familiengespann einen Spaziergang zum Halensee, einem damals beliebten Ausflugsziel. Für Corinna ist das ‚fast so poetisch wie vier Wochen auf Capri‘ und tatsächlich wird ihr lange gehegter Wunsch hier Wirklichkeit: Leopold Treibel hält um ihre Hand an – und bringt seine Mutter Jenny damit in große Rage. Denn die hatte sich für ihren Sprössling natürlich eine bessere Partie vorgestellt. Und tatsächlich zerbricht der romantische Vorstoß im Klein-Italien Berlins nur wenig später an den unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der jungen Leute.