Das Marienviertel in Berlin – Ein historischer Stadtkern, der Phantasie verlangt
Heute kaum mehr als solches erkennbar liegt das Marienviertel zwischen Fernsehturm und Rotem Rathaus und zwischen den Hochhäusern an der Karl-Liebknecht-Straße und denen der Rathausstraße. Von der historischen Bebauung kündet heute nur noch die Sankt Marienkirche.
Einst bestand Berlin aus den vier Stadtteilen Klosterviertel, Heilig-Geist-Viertel, Nikolaiviertel und dem Marienviertel. Vor dem Zweiten Weltkrieg beherbergte letzteres auf über 140 Grundstücke Wohn-, Geschäfts- und Warenhäuser, Postämter sowie Markthallen.
Was die Bomben des Zweiten Weltkrieges noch nicht hinweggefegt hatten, machte die DDR-Führung dem Erdboden gleich, denn die hatte Größeres im Sinn, als ein altes Stück Berliner Geschichte zu bewahren: Zahlreiche nur mäßig beschädigte Gebäude wurden Ende der 50er Jahre abgerissen, um den bis zu 10-spurigen Verkehrsschneisen auf der Gruner- und der Karl-Liebknecht-Straße Platz zu machen. Der für mittelalterliche Städte typische ausgerundete Grundriss als Folge der ursprünglichen Stadtmauern wurde so zerschnitten und lässt sich heute lediglich dem Verlauf der Stadtbahn auf dem alten Festungsgraben zwischen den Bahnhöfen Alexanderplatz und Hackescher Markt entnehmen.
Das Marienviertel – Auseinandersetzung mit dem Papst
Im Marienviertel war es, dass die Berliner der päpstliche Bahnstrahl traf: Probst Nikolaus von Bernau wollte den Berlinern ausreden, sich künftig von den papstfeindlichen Wittelsbachern regieren zu lassen. Im Jahr 1324 wurde es den unter der harten Steuerhand von Bernaus ohnehin schon darbenden Berlinern endgültig zu viel und sie lynchten den papstreuen Probst – pikanterweise direkt nach dessen Predigt vor den Toren der Marienkirche.
Der Papst reagierte prompt und versagte den Berliner fortan die Sakramente: Also keine Eheschließungen, keine Taufe, keine Krankensalbungen etc. mehr im Marienviertel. Erst rund 20 Jahre, eine gehörige Geldstrafe und sicher einige moralische Bußübugen später hob der erzürnte Papst den Bann im Jahr 1347 wieder auf. Eine weitere, bis heute sichtbare Bedingung war die Installierung eines Sühnekreuzes am Ort des Meuchelmordes vor der Marienkirche, an dem immer ein Licht leuchten sollte.
Das Kreuz steht heute nicht mehr ganz an Ort und Stelle, ursprünglich war es dort aufgestellt, wo sich jetzt das Küsterhaus befindet. Auch das Licht brennt nicht mehr und anstelle des Christus, der sehr wahrscheinlich am Kreuz befestigt war, gibt es dort nur noch 5 Löcher. Ein wenig Phantasie ist für die Erinnerung dieses Berliner Zwischenfalls also vonnöten – wie überhaupt beim Spazieren durch dieses alte Viertel, von dem so gut wie Nichts übrig blieb.